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Leserbrief

In seinem Beitrag im “wespennest” Nr. 184 wundert sich, oder sagen wir

mal, berichtet Valentin Groebner über seinen “Umzug ins Land der alten

Männer”. Dem Autorenverzeichnis entnehme ich, dass er 1962 geboren ist,

also gerade mal die 60 überschritten hat. In der nur ein bisschen

wehleidigen Erzählung dürfen die alten Frauen nicht fehlen. Sie kriegen

keine Kinder mehr und haben Hitzewallungen und Hallux-Operationen. Für

die kleinen Bosheiten zitiert er vorsichtshalber eine Freundin, die gesagt

haben soll: “Die älteren Damen auf den Kulturempfängen und Vernissagen

trügen ihre Eierstöcke eben um den Hals”. Er selbst beschreibt sich

melancholisch, von Ängsten und Befürchtungen geplagt.

Die Zeitschrift ist elektronisch nicht verfügbar, deshalb muss dieser

Ausschnitt genügen, um zu erklären, dass ich Lust bekam, ihm zu

antworten:

Sehr geehrter Oldie,

Ihren Reisebericht habe ich mit Vergnügen gelesen und kann als alte Frau

nicht umhin, Ihnen ein paar Ergänzungen zu schicken. Das Alter bringt,

jedenfalls für uns Weiber, etliche Vorteile. Wir haben seit langem keine

“Regel” mehr, diese von Schmerzen begleiteten Blutungen liegen so lange

zurück, dass ich sie vergessen habe. Ich trage keinen BH mehr, weil der

kneift, bewege mich nicht mehr auf dem Markt erhoffter und

enttäuschender Beziehungskisten, und der Blick auf Männer ähnlichen

Alters bringt die letzten Lüste zum Schweigen.

Allerdings gehöre ich nicht zu jener wohlhabenden Oberschicht, die

brillantene Eierstöcke zum Umhängen zur Verfügung hat. Aber mir und

meinen Freundinnen geht es gut. Wir haben uns vor männlichen

Taxierungen befreit, haben Kinder in die Welt gesetzt, mit denen wir uns

besser verstehen als Eltern und Nachwuchs früherer Generationen, und

sind, mit all den Falten und Zipperlein, frei von den auf Seite 74 des

wespennest so herrlich beschriebenen Eitelkeiten, Eroberungsgelüsten,

Konkurrenzzwängen und Kampfwägen, wie sie für Männer so typisch sind.

© Hazel Rosenstrauch

Dies als kleine Korrektur, die insofern unangemessen ist, als ich und meine

Freundinnen richtig alt sind, nicht erst um die 60. Sie und die erwähnten

Damen sind ja noch jung, da kommt noch Einiges auf Sie zu. Ob die schönen

Aussichten für weiße alte Männer gelten, weiß ich nicht, aber viele der

Frauen, die wie ich auf die 80 zusteuern, sind nicht traurig. Gut

abgehangen, mit reicher Erfahrung, blicken wir verwundert auf die

konkurrierenden alten Zausel, die mit gierigen Blicken auf 30-jährige Mädel

starren. Alt sein ist nichts für Feiglinge, wir konnten uns, bedrängt von

Kraftprotzen, nie leisten, feig zu sein.