Close

Ambivalenz aushalten?!

Antwort auf eine Rundmail der Theodor-Kramer-Gesellschaft

Liebe Preisträgerinnen und Preisträger, lieber Konstantin, liebe Theodor-Kramer-Mitarbeiter,

Bisher habe ich, obwohl stolze TK-Preisträgerin, nicht unterschrieben und schäme mich – weil ich mich damit “willentlich oder nicht auf die Seite der menschenverachtenden Diktatur” geschlagen sehe. Erst habe ich nicht unterschrieben, weil mir Politik per Mausklick zu simpel erschien, dann war mir nicht klar, wer der Adressat des Aufrufs ist, ob ich mich damit womöglich in eine Blase einreihe, die sich selbst ein gutes Gefühl geben will. Bei großer Wertschätzung für Martin Pollack und seine Sprache habe auch ich Schwierigkeiten mit Worten wie “bedingungslos”, mit dem “Vorbild Ukraine”, einem “Bollwerk gegen die Barbarei” und “das dürfen wir nicht zulassen”. Wer ist wir und was meint gemeinsam? Was mache ich mit den  jungen ukrainischen Burschen, die ich hier in Berlin bei Jazzkonzerten sehe, den Verehrern Banderas, den Oligarchen und korrupten Ministern? Wenn nun die ebenso bedingungslose Unterschrift für Israel erwünscht wird, bin ich selbstverständlich für das Existenzrecht Israels, aber bedingungslos? Mit Nethanjahu und der rechtsradikalen Siedlerbewegung? Ich bin in Gedanken bei den Geiseln und ihren Angehörigen, auch bei meinen israelischen Verwandten und allen Juden, die sich jetzt auch in Deutschland und Österreich bedroht fühlen. Ich bin auch gegen die “abers” diverser postkolonialer Relativierer und Linken, die nun vom Imperialismus Israels reden und implizit oder explizit die Hamas als Freiheitsbewegung feiern und mit “den” Palästinensern gleich setzen. Aber weiter weiß ich nicht.

Vielleicht, wahrscheinlich, sind in Situationen wie diesen Differenzierungen nicht möglich, sogar falsch. Insofern kann ich zu dem Aufruf nur hilflos erklären, ich bewundere alle, die in solchen Momenten genau wissen, wo es lang geht und was zu tun ist. Ich würde mich ja gerne in einer Gemeinschaft rechtschaffener Genossen wohl fühlen, zumindest von den vielen grauslichen Nachrichten ausruhen, wenn Ihr sie gefunden habt, lasst es mich wissen.

Traurig und ratlos, mit freundlichen Grüßen

Hazel Rosenstrauch