Close

Takis Würgers Buch über Stella Goldschlag wird als übles Machwerk, Ärgernis, Kitsch beschimpft. Woher kommt die Empörung? Obwohl doch die Erinnerungskultur/Vergangenheitsbewältigung/Wiederjudmachung mit einem recht kitschigen Film – Holocaust – begonnen hat, der jetzt für jüngere Menschen wieder gezeigt wird. Es hat seither nicht nur gefälschte jüdische Biographien (Wilkomirski), sondern auch viel Kitsch über oder mit „jüdischen Mitbürgern“, wie sie immer noch heißen, gegeben. Oft hatte ich den Eindruck, um im deutschen Kulturbetrieb zu reüssieren, muss in den Geschichten – gefilmt oder getippt – mindestens ein toter/ermordeter/verfolgter Jude vorkommen. Das hat sich in letzter Zeit gelegt, seit Heimat und das Leben auf dem Lande sich gut verkaufen, sind die Morde der Nazizeit in den Hintergrund getreten. Und schon begebe ich mich auf gefährliches Terrain, denn Skepsis gegenüber der ja durchaus verdienstvollen, lobenswerten und rühmlichen Art, mit deutscher Geschichte umzugehen, wird schnell jener anderen, bösen Richtung zugeordnet.

Was ist Kitsch? Gestanzte Fertigteile, die hundertmal Gesagtes ohne tieferes Verständnis einsetzen, gefühlsbeladene Rituale, unechte Erregungen, mehrfach aufgewärmte Formulierungen. Die sind sicher und immer wieder in Reden und Büchern und Filmen verwendet worden, wo immer es um Nazizeit und umgebrachte Juden, Jüdinnen, weniger schon Sozialdemokraten oder Kommunisten ging. Auch Zeitzeugen verwenden Fertigteile, sie sind genauso vom Zeitgeist und dem für Gedenken entwickelten Vokabular anfällig wie Schülerinnen oder Politiker nicht-jüdischer Herkunft. Die Heiligenverehrung schließt aus, dass es auch dumme oder gemeine, bösartige und – ach ja, um ihren Gewinn besorgte – Juden/Jüdinnen gibt. Genau darin besteht das Vorurteil. Die zum Teil schon wieder missbilligte, in ihrer harmloseren Form unverständliche Rücksicht auf alles Jüdische hierzulande hat – neben pragmatischen wie moralischen Gründen – immer noch eine wichtige Funktion. Sie ist, zumal für Intellektuelle, eine Schutzhaut, manchmal eine Schminke, die über die Nazi-Fratze deutscher Normalbürger gelegt wurde.
Differenzieren ist schwer und die neue Rechte schürt eine Angst: die Angst, all das eroberte Terrain der neuen guten, anderen, deutschen Identität könnte verloren gehen.

Hätte ich nicht einen so schön jüdischen Namen, der gelegentlich ein Leuchten in die Augen meiner Gesprächspartner bringt, käme ich womöglich in Verdacht, ich würde Argumente für die Bösen liefern, denen die Erinnerungskultur generell nicht gefällt. Differenzieren ist schwer und diese Rechten schüren, scheint mir, eine Angst, die Angst, all das eroberte Terrain der neuen guten deutschen Identität könnte verloren gehen. Oder geht es darum, in einer Kultur, in der es keine „echten“ Werte gibt, die letzte Bastion für ehrliche Schocks zu bewahren?