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Keine Angst vor Robotern

Some like it smart 

Was tun mit den supergescheiten BOTs, den vielen herumschwirrenden Daten oder gepixelten Fakes? Wie lassen sich “Handlungsempfehlungen” nutzen, in denen schöne Sätze stehen wie ”sinnvoll erscheint die Weiterentwicklung der Fachdidaktiken, um die lernförderliche Nutzung digitaler Potenziale sicherzustellen”. 

Es gibt viele kluge und weniger kluge Vorschläge. Die Aussichten, dass mehr miteinander geredet wird, wenn Aufsätze zu leicht an Maschinen delegiert werden können, lassen hoffen – sofern genügend Personal für Gespräche zur Verfügung steht. An Universitäten der USA müssen Studierende schriftlich versichern, dass sie nicht schummeln. Das funktioniert an Privatunis, denn dort können sie rausgeschmissen werden, wenn sie sich von BOTs helfen lassen. Wenn die Realität von Lehrermangel, Lehrerinnenmangel, Zeitmangel geprägt ist, oder an den Unis zu viele Studierende von zu wenigen Professoren betreut werden, geht das nicht.   

Man soll nicht die Vergangenheit vor der Zukunft loben, aber neben vielem Quatsch, den wir im vorigen Jahrhundert unter ganz anderen Umständen getrieben haben, war die gemeinsame Lektüre von schwierigen Büchern ein oft vergnügliches, jedenfalls interessanter Weg, um die Welt anders zu verstehen, als sie (von alten weißen Männern, unter denen auch faszinierende Gestalten waren) gelehrt wurde. Zu den Lieblingsvokabeln aller Ratgeber gehören die Worte Gemeinschaft, Kooperation, Partizipation. Ich schlage stattdessen das Wort Geselligkeit vor. Die hat mit angenehmem Ambiente und Freude zu tun. Man wird nicht mehr Marx oder Rosa Luxemburg studieren, aber auch manch kluges Fachbuch ist ähnlich schwer zu verstehen wie “Das Kapital” und könnte sich in einem geselligen Lesekreis erschließen.

Für den Anfang und alle Altersstufen empfehle ich ein Buch, das sich für gemeinsame Lektüre samt Diskussionen eignet: Gerd Gigerenzer, Klick. Einer der Hauptsätze darin lautet: Smarte Technik braucht smarte Menschen.

Das ist Aufklärung im besten Sinn, verständlich geschrieben, nicht entweder technisch oder psychologisch oder didaktisch, sondern vielseitig, mit Fach-, und auch mit Hausverstand.

Ich höre ständig von Gesetzen und Vorschriften, mit denen Betrug und Irreführung qua Klicks bekämpft werden sollen. Man kann aber auch für mehr Verständnis im Umgang mit der Technik werben, und das tut Gigerenzer. Wie funktionieren Algorithmen, und was ist der Unterschied zwischen der Technik und denen, die damit Kunden an ihre Plattform binden wollen? Wie funktioniert das Wettrüsten mittels Pixeln, wie können Menschen in diesem Orbit Platz finden, neben den Automaten? Und immer wieder, mit vielen Beispielen, Aufklärung über den Unterschied zwischen automatisierten Ergebnissen, die immer auf bekannten, also alten Daten basieren und berechenbare Umstände erfordern, und einer Intelligenz, die mit ungewissen Bedingungen zurecht kommen will. Gewissheiten sind nämlich selten, die Interessen der Tech-Konzerne sind nicht die der User.

“Klick ist eine Anleitung, wie wir in einer zunehmend von Algorithmen bevölkerten Welt souverän bleiben und das Steuer in der Hand behalten.” Gigerenzer bringt wunderschöne Beispiele, wie wir mit Statistiken (gerne bei Dating-Plattformen) getäuscht werden, wie sich menschliches Verhalten ändert, wenn Wahrnehmung, Reaktion oder eben Intelligenz von Automaten übernommen wird wie bei selbstfahrenden Autos oder Navis. Nie geht es um Kritik an der Technik, immer um die Möglichkeit, intelligent mit ihr umgehen zu lernen (dazu gehört auch der Abschnitt über den Unterschied zwischen menschlicher und maschineller Intelligenz). Und er bringt schöne, genaue Daten: “Im Vergleich zur zeitgenössischen Computertechnologie sind menschliche Gehirne auch äußerst energieeffizient. […] Der Supercomputer Blue Waters […] braucht rund 15 000 000 Watt und nimmt eine Fläche von fast 2000 Quadratmetern ein.” Außerdem ist er auf ein großes Kühlsystem angewiesen. Das Gehirn hat die Größe zweier Fäuste und lässt sich leicht umhertragen. ”Würden alle menschlichen Gehirne durch Supercomputer ersetzt, könnte die so generierte Hitze alle Bemühungen um Klimaschutz zunichtemachen.”

Zu den Zuckerstückchen gehören seine Beispiele zur Frage, wie sich Fakten von Fälschungen unterscheiden lassen. Er zitiert den Arzt John Locke, 17. Jahrhundert, der von einem holländischen Gesandten berichtet, der dem König von Siam erzählte “dass das Wasser in seiner Heimat bei kaltem Wetter zuweilen so fest werde, dass die Menschen darauf umhergehen konnten” – was den König überzeugte, dass dieser Mann ein Lügner war.

Der Autor ist, wie John Locke, ein Empiriker und zitiert aus diversen Untersuchungen, unter anderem über die digitale Kompetenz von “digital natives”, Schülern und Studierenden. Immer verbunden mit Fragen und auch Regeln, wie etwa Online-Quellen sich beurteilen lassen, was KI leisten kann und was nicht, wie die Geschäftsmodelle aussehen, die unsere Zeit und Aufmerksamkeit absaugen oder süchtig machen.

Anders als Marx, den wir studierten, um eine andere Gesellschaft herbeizuträumen ist dieser Autor kein Revolutionär, er denkt über den Erhalt der Demokratie nach, über Erhalt oder Wiederherstellung von Wettbewerb, der von den wenigen ungeheuer reichen Besitzern der Social-Media-Plattformen behindert wird. “Wir sollten in der Lage sein, die KI für Aufgaben zu nutzen, die sie besser und schneller als Menschen erledigt, ohne dass man uns zu dem Irrglauben verführt, sie könne […] alle Aspekte unseres Lebens verbessern.” Zurückgreifend auf die Hoffnungen, die mit der Technologie verbunden war, rät er: “Wir müssen das Internet neu denken.” 

Das Buch eignet sich für eine “Wende”: In Anerkennung der Realitäten finden sich Lehrende zusammen, die noch Bücher lesen und stoßen, miteinander sprechend, auf Fragen und Sorgen, die sie umtreiben. Es gibt auf dem Sektor KI (die wir endlich nicht mehr Künstliche Intelligenz nennen sollten, darin klingt intelligence = Geheimagent an, was zwar auch nicht falsch ist, aber lernende Maschine oder datengefütterter Automat trifft die Sache besser) noch viele Probleme, die nicht für die Schule, sondern für das Leben neu gedacht werden müssten. Lesende Lehrerinnen fragen die Jungen, die noch Schüler genannt werden und mit der Technik aufgewachsen sind, um Rat. Wie würden, wie werden sie die Technik smart nutzen, ihr Wissen und Vermögen über Apps und Plattformen weitergeben? Einige Vorschläge macht Gigerenzer, aber es gibt noch viel zu tun.

s. dazu Konferenz Digitalisierung 2022 in Forum Bildung Digitalisierung

Jamie Susskind, Digital republic