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Nach-Ruf

Peter Moses-Krause wurde am 14. Februar 2024 begraben, am 14. Juli 1977 hatte er – zum Jahrestag der Französischen Revolution – seinen Arsenal-Verlag gegründet [https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Arsenal] Er hat viele schöne, auch traurige, immer hübsch gestaltete Bücher verlegt. Hier ein paar Sätze, die ich ihm bei der Gedenkveranstaltung im Buchhändlerkeller nachrufen konnte:

Als Motto und Überschrift wählte ich einen Satz, den Peter gern benutzt hat:

Krise ist immer

Das älteste Arsenal-Buch in meinem Schrank ist F.D. Klingenders immer noch lesenswertes Werk “Goya in der demokratischen Tradition Spaniens”. Erschienen im Juni 1978, d.h. im zweiten Jahr des Verlags, damals habe ich Peter und Jutta kennengelernt. Die Welt von Linken, die sich sowohl für Politik wie für Kunst und Literatur interessiert haben, war zu der Zeit überschaubar. Uns verband auch das Interesse an der Aufklärung mit den dazugehörigen Ambivalenzen, den Widersprüchen der damaligen Akteure und der Interpreten im 20. Jahrhundert.

Wir haben uns schließlich zerstritten, als es um mein Buch über Simon Veit ging, das Peter zwar machen wollte, aber nicht aus den Puschen kam. Hätte ich damals gewusst, dass er noch vor mir sterben wird, wäre ich wohl geduldiger gewesen. Vielleicht war ich verwöhnt von unserer früheren Zusammenarbeit beim Buch über Karl August Varnhagen und als Vorwortschreiberin für Ingrid Mylo, vielleicht war das, was mich damals irritiert hat, schon Peters Ahnung und Unsicherheit über die Zukunft dieses schönen Verlags entsprungen.

“Krise ist immer”, war es zur Zeit Goyas in Spanien, in Knoblochs Berlin Moses Mendelssohns, für Joškos Kinder auf ihrer Flucht durch Europa, und für all die Literaten im 1. Weltkrieg, die in Eckhardt Mombers Band von 1981 verewigt sind – um nur einige Titel des Verlags zu erwähnen. Näher an die Gegenwart rückend will ich an eine Zeit erinnern, in der wir uns gut verstanden. Peter war wie ich ein Kind von “Remigranten”, geboren im Zufluchtsland England. Als Folge davon begegneten wir uns mehrfach in der sogenannten “Jüdischen Gruppe”, die sich nach der Besetzung des Libanon durch Israel 1982, gebildet hatte. Es gab solche Gruppen nicht nur in Berlin, auch in Frankfurt oder München, in Kopenhagen, in London, Paris, Kapstadt und all den Ländern, in denen mehr und weniger säkulare Juden lebten, solche, deren Eltern aus Deutschland oder einem der von Deutschland überfallenen Länder stammten, + deren Familiengeschichte eine gewisse Weltoffenheit mit sich gebracht hat.

Zu den Abenden, meist im Terzo mondo, kamen amerikanische, englische, israelische oder rumänische “Juden” – Juden unter Anführungszeichen. Sie hatten je nach Herkunft unterschiedliche Weltsichten, alle waren an der Entwicklung im Nahen Osten interessiert, aber wollten die Definition des Jüdischen nicht allein Israel und jüdischen Funktionären überlassen. Wir haben uns die Köpfe heiß geredet, es gab Streit zwischen eher zionistischen, eher der jüdischen Religion verbundenen und agnostischen Teilnehmern der Gruppe, es gab auch Treffen zwischen jüdischen und palästinensischen Linken. Auch vor vierzig Jahren, wurden in Israel, in Deutschland und vielen anderen Ländern recht unterschiedliche Meinungen vertreten. Peter hat gerne und oft provozierend gestritten, … und wir haben trotz aller Differenzen meist auch viel miteinander gelacht. Wenn ich versuche, mir Peter – mit Baskenmütze und Pfeife in einer solchen Debatte heute vorzustellen, so bin ich doch sicher, dass er sich nicht den inzwischen so verbreiteten Schwarz-Weiß-Interpretationen anschließen würde. Du musst Dich nicht im Grab umdrehen, lieber Peter, es gibt sie noch, die Ketzer und Künstler, die sich mit Witz und Mut und komplexen Fragen rumschlagen, sie sind leider derzeit nur schwerer zu finden. Schade, dass Du sie nicht bei Dir versammeln kannst.